Wie gestalte ich mein eigenes Yoga-Workout?

Viele Yoga-Übende stellen sich früher oder später die Frage, worauf man achten muss, wenn man ein eigenes Yoga-Programm zusammenstellt. Wie ich in meinem Blogpost Do your own Yoga bekenne, bin ich erklärter Fan einer eigenen Yogapraxis: weil 10 Minuten am Tag einfach so viel mehr bewirken als 90min einmal pro Woche - und weil sich die Übungen mit einer täglichen "Erinnerung" des Körper viel schneller und selbstverständlicher integrieren, man also viel müheloser und entspannter schneller weiter kommt :-).

Dennoch haben einige kritische Artikel wie "How Yoga can wreck your body" gelesen und sind entsprechend unsicher, ob das mit der eigenen Praxis wirklich so eine gute Idee ist. Daher stelle ich hier die wichtigsten Aspekte für eine schonende und sichere Praxis dar. Diese helfen übrigens auch beim Üben mit Lehrer - auch dieser kann nicht in jeden einzelnen Schüler hineinschauen, das Tempo kann gerade in gutbesuchten Klassen nicht an jeden einzelnen angepasst werden und auch in angeleiteten Yogastunden können Verletzungen entstehen. Die Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge dahingehend zu schulen, ist dementsprechend immer eine gute Idee.

Üben - aber sicher!

Um die Sicherheit beim Üben zu gewährleisten und sich nicht zu verletzen, können zwei grundlegende Prinzipien des klassischen Yogaweges nach Patanjali Orientierung bieten:

1. Gewaltlosigkeit (ahimsa)
Im Training wie im Leben ist Gewaltlosigkeit sich selbst gegenüber die Grundlage (auf der man auch die Gewaltlosigkeit anderen gegenüber leben kann). Es bedeutet, negative Glaubenssätze loszulassen, mit denen man sich selbst abwertet und herunterzieht. Es bedeutet auch, übermäßigen Ehrgeiz und den "inneren Antreiber" zu drosseln, um die eigenen Bedürfnisse und Grenzen wahrnehmen und danach handeln zu können. Viele Verletzungen entstehen aus Ehrgeiz - wenn wir eine bestimmte Haltung oder ein äußeres Körperbild wichtiger nehmen als das Gefühl, dass es gerade zu viel ist, dass der Körper eine Pause oder eine Variation der Haltung braucht. Damit eng verwoben ist der zweite Grundsatz:

2. Wahrhaftigkeit (satya)
Erkenne, wo du stehst! In Bezug auf ein eigenes Übungsprogramm bedeutet dies, sich selbst nichts vorzumachen über den eigenen Fortschritt, wertfrei die Signale des Körpers zu hören und sich nicht mit anderen (Idealbildern) zu vergleichen und dadurch in den Wertungsmodus zu rutschen - was immer die Wahrnehmung dessen, was ist, beeinträchtigt.

Um beide Regeln umzusetzen, gilt:

Dein Haupt-Wegweiser ist DAS EIGENE KÖRPERGEFÜHL!

In meinen Stunden etabliere ich daher von Anfang an eine fragende Grundhaltung: Wie fühlt sich das an, in welchen Körperbereichen spüre ich dies am deutlichsten, was für ein Gefühl macht sich dort breit, wie verändert es sich, wenn ich tief und lang dort hinein atme? Ebenso biete ich Variationen an: Wenn es sich gut anfühlt, gehe noch ein wenig tiefer in die Haltung; wenn das zu viel ist, gehe ein Stück aus der Haltung heraus, finde eine Variation, die sich stimmig anfühlt, oder nimm eine Pause (Balasana - die Haltung des Kindes/siehe Bild unten - steht jederzeit und in jedem Yogaunterricht als Pausenoption zur Verfügung - egal ob in meinen Stunden oder in denen meiner Kollegen! Ebenso natürlich in deiner eigenen Yogapraxis).

Sich abholen, wo man ist

Grundsätzlich gibt es 2 Herangehensweisen an eine regelmäßige Praxis:
1. Ein immer gleichbleibendes Ritual, z.B. eine morgendliche Abfolge von Sonnengrüßen oder die sogenannte "Rishikesh-Reihe". Eine feste Folge lässt sich schnell erlernen und daran lässt sich die Veränderung der eigenen Tagesform besonders gut erkennen. Einige Verfechter dieser Variante bestehen auf der immer gleichbleibenden Abfolge. Ich persönlich denke, dass man dies nicht dogmatisch verstehen sollte und auch innerhalb fester Übungsfolgen Variationen zulassen kann -  z.B. wählt man Tagen, in denen man sich krank oder nicht so kraftvoll fühlt, ein langsameres Tempo, weniger Wiederholungen, sanftere Variationen oder alternative Haltungen.
2. Eine der Tagesform angepasste Praxis. Ich bevorzuge diese Variante, sie benötigt aber ein wenig mehr Erfahrung, um Folgen selbständig variieren zu können.

Eine gute Alternative ist das Üben anhand von Videos, die sich entsprechend einordnen lassen. Daher gebe ich meinen youtube-Videos eine Einordnungsmöglichkeit im Namen - REGENERATION steht für ganz sanfte Entspannungs- und feldenkraisbasierte Programme, KRAFT UND BALANCE für eher fordernde, anstrengendere Folgen und FLEXIBILITÄT UND ENERGIE für etwas aktivere, energetisierende und dehnende Programme. Außerdem gibt es Folgen für bestimmte Körperbereiche oder -probleme: zum Schulterverspannungen-Lösen, für Beinkraft usw..

Mit etwas Erfahrung kann man sich anhand dessen, was man aus erlebten Programmen als besonders wertvoll mitnimmt, eigene Folgen zusammenstellen.

Der stimmige Aufbau

Stellt man sein eigenes Programm zusammen, gelten 2 Regeln:

1.Von leicht zu schwer, von einfach zu komplex

So wie ein Mathelehrer nicht die schwierigste Aufgabe der Stunde ganz am Anfang stellt, sondern zunächst über einfache erinnernde Aufgaben die Schüler-Hirne wieder im Stoff verortet, so benötigt auch der Körper Zeit, um sich zu verorten und die Wahrnehmung im Körpergefühl ankommen zu lassen.

2. Sportmedizinisch sinnvoll

... ist ein Trainings-Aufbau anhand der folgenden 3 Elemente. Dies wird um so wichtiger, je fordernder der aktivste Teil der Stunde ist:

Warm-Up

Hauptfokus

Cool Down

Diese Teile können je nach Umfang und Komplexität der Yogaeinheit kurz oder lang sein (zu Beginn einer 5 Minuten-Blitzeinheit reicht ein einfaches Durchräkeln im Vierfüßlerstand oder dreimal ganz tief Ein- und Ausatmen als Warm-Up ;-). In dieser Zeit wird man ja auch eher nicht an Haltungen arbeiten, die man als äußerst herausfordernd empfindet - eher an Vorübungen oder einzelnen Elementen).

Was heißt das im Einzelnen?  (Ich gebe je ein Beispiel dazu, es gibt natürlich unzählige mehr ;-) )

Warm-Up:

  • GELENKE sanft und ohne große Belastung durchbewegen, die Gelenkschmiere überall im Gelenkspalt verteilen (z.B. für die Hüftgelenke: im Liegen die Knie sanft im Raum kreisend bewegen)
  • WIRBELSÄULE sanft mobilisieren (z.B. im Vierfüßlerstand "tanzen" lassen/ dreidimensional durchbewegen, mit Katzenbuckel und Pferderücken spielen, versuchen jeden kleinen Bereich der Wirbelsäule in jede mögliche Richtung zu bewegen)
  • KREISLAUF in Gang bringen (Blutzirkulation stellt ganzkörperliche Erwärmung und guten An- und Abtransport von Stoffen sicher; z.B. durch atembasierte Übungsfolgen wie den halben Sonnengruß und durch anstrengendere/aktivierende, aber im Aufbau noch einfache Stützhaltungen (Handgelenke bewegt/erwärmt? ;) ), in denen man mit tiefen Atemzügen bleibt oder mit Gewichtsverlagerungen und Beckenbewegungen spielen kann - z.B. in der "Plank Pose", ähnlich der Liegestützhaltung)
  • MUSKULATUR und Bindegewebe/FASZIEN: sanfte Dehnungen, räkelndes Durchbewegen, sanft räkelndes Anspannen in der sanften Dehnung ("wie eine Katze am frühen Morgen")
  • GEIST: fokussieren und zur Ruhe kommen lassen. (z.B. die Aufmerksamkeit auf das Ein- und Ausatmen fokussieren, diese bewusst verlängern in den gewählten Übungen, Ein- und Ausatmung mit den Bewegungen verbinden, abschweifende Gedanken ziehen lassen und die Aufmerksamkeit liebevoll zum Atem zurückholen). Falls dein Hauptfokus/Asana ein bestimmtes Thema verkörpert, kannst du dich gedanklich darauf ausrichten (z.B. das Thema Balance für den kosmischen Tänzer, das Thema Stabilität/Flexibilität für den Baum o.ä.. Das empfundene Grundthema einer Haltung kann von Person zu Person unterschiedlich sein.)

Haupfokus:

  • Das können z.b. 2 bis 3 Übungen für einen bestimmten Körperbereich sein, oder eine etwas komplexere Übung, die dir im Yogaunterricht gut getan und gefallen hat.
  • Diese Übung kannst du im Warm-Up vorbereiten, in dem du dich fragst: Welche Gelenke werden in der "Ziel-Haltung" besonders beansprucht? (diese gezielt durchbewegen und erwärmen, z.B. die Handgelenke für Stützhaltungen, Hüftgelenke, Knie und Sprunggelenke für die Taube/siehe Bild unten) Welche Muskelbereiche spüre ich besonders in der Haltung? (diese vorher bewusst durchräkeln und sanft dehnen, bevor du in die fordernde Haltung gehst...)

Cool Down:

  • Das Cool Down kann dem Warm-Up ähneln und dient u.a. dem Abtransport von Stoffwechselendprodukten aus dem Gewebe.

Für eine klassische Yogaeinheit lassen sich folgende Elemente ergänzen.
VOR dem Warm-Up:

  • Stille, Setzen eines Themas oder einer Intention, Chanten von Om o.ä.

NACH dem Cool Down:

  • Tiefenentspannung in Savasana (Rückenlage mit leicht geöffneten Armen und Beinen, "Totenhaltung")

Abschluss mit der

  • Wechselatmung (Beschreibung hier) und einer kurzen
  • Meditation (Beschreibung hier)

Nun wünsche ich dir viel Freude beim Zusammenstellen deines eigenen Yoga-Programms!

Wie immer freue ich mich über Fragen, Kommentare und Themanwünsche für weitere Blogposts :).

Sei herzlich gegrüßt
Marita

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