"Die Ruhe selbst": Wie Yoga Tänzer in Studium und Berufsalltag unterstützen kann

Wozu Yoga für Tänzer? Tänzer sind doch eh schon so flexibel? Und sie trainieren doch auch jeden Tag und haben einen schönen, wohldefinierten Körper?

 

Das mag alles zutreffen. Doch diese eher äußerlich orientierten Aussagen lassen wesentliche Vorteile einer Yogapraxis für Tänzer außer Acht:

  • Erhöhung der mentalen Stabilität, um dem Konkurrenzdruck in Ausbildung und Jobsuche gewachsen zu sein
  • weniger Ehrgeiz und mehr Achtsamkeit im Training

> Reduktion von Verletzungen

> Trainingsfortschritte mit weniger verletzungsbedingten Rückschlägen und weniger Verschleiß durch Fehlbelastung

  • Erhöhung des Körperbewusstseins

> optimale Ausrichtung für Trainingserfolg und technische Fortschritte

> Balance zwischen Flexibilität, Kraft und Entspannung

> schnelleres Einfühlen in neue Stile und Bewegungsabläufe

> entspannter Ausdruck

> schnellere Regeneration

  •  Wissen um erhaltende, wenig belastende Trainingsmaßnahmen im Krankheits- und Verletzungsfall
  •  Ergänzendes Betätigungsfeld nach Beendigung der Tanzkarriere oder als zweites Standbein in der „Freien Szene“

"Die Ruhe selbst" sein - mentale Stabilität

Yoga beeinflusst neben körperlichen Aspekten auch die mentale Stabilität sehr positiv – und die braucht man im Druck einer Tanzausbildung ebenso wie auf der folgenden Jobsuche oder im Engagement. Tänzer sind mental in einer paradoxen Situation: Zum einen wird höchste Sensibilität quasi als Berufsvoraussetzung gefordert (notwendig für den emotionalen Ausdruck , das Einfühlen in eine Rolle und – besonders im zeitgenössischen Tanz - die Offenheit zum Ergründen emotionaler Zustände, um den Zuschauer erreichen zu können), zum anderen erfordert das Tänzerleben ein Funktionieren und eine Belastbarkeit in engmaschigen Trainings- und Probenplänen und eine stabile innere Mitte bei höchstem Leistungniveau.

Im Yoga stärkt besonders die Verbindung der Bewegung mit dem Atem die innere Stärke, Ruhe und Belastbarkeit. Diese Verbindung lässt zudem Bewegungsabläufe weicher und geschmeidiger werden. Das Gefühl dafür lässt sich in die Tanzpraxis mitnehmen. Separate Atemübungen (Pranayama), Visualisierungen und Meditationen bieten zusätzliche Werkzeuge zur geistigen Entspannung und Gesunderhaltung.

Verletzungsprävention und Regeneration

Die Verletzungsrate im Tanz ist höher als sie sein müsste.

Ich selbst habe während des Tanzstudiums unzählige Kommilitoninnen mit chronischen Überlastungs- und Verletzungserscheinungen erlebt, die aufgrund dessen während oder nach der Ausbildung einen komplett anderen Berufsweg eingeschlagen haben. Ein Ausgleich ließe sich durch ein besseres Verständnis der eigenen Körperabläufe und Kenntnis von entlastenden Übungen erzielen.

Yoga umfasst nicht nur eine Vielzahl von Asanas – also Übungen und Körperhaltungen, welche dehnend und/oder kräftigend wirken und die Ausrichtung und Organisation des Körpers optimieren. Sondern es trainiert auch das Selbst-Bewusstsein, also die Fähigkeit, der eigenen (Körper-) Wahrnehmung zu vertrauen und entsprechend zu handeln.

Ein weiterer wichtiger Effekt von Yoga und Entspannung ist die Verkürzung der benötigten Regenerationsphasen, was wiederum dem Verletzungsrisiko durch Überlastung entgegenwirkt.

Zudem bietet Yoga gute erhaltende Trainingsmöglichkeiten, wenn doch einmal eine Krankheit oder Verletzung die Teilnahme am regulären Training unmöglich macht.

Präsenz und Trainingserfolg

Wichtig ist im Bezug auf Verletzungsprävention auch die im Yoga vermittelte innere Einstellung: Die Geisteshaltung im Yoga ist immer eine empfangende – weg vom „schneller-höher-weiter“-Ehrgeiz, hin zum „Schauen, wo ich gerade bin, und entspannt daran arbeiten“. Es hilft ungemein, wenn diese Geisteshaltung auf das tänzerische Training übertragen wird. Die Yogalehrerin und Iyengar-Schülerin Vanda Scaravelli, die mit über 80 Jahren noch die anspruchsvollsten Yoga-Asanas ausführen konnte, sagte ihren Schülern: "You must only undo. The more you undo, the more you are and the more things come to you." Das heißt in Bezug auf die Yoga-Praxis ebenso wie auf dein tägliches Training: Je weniger ehrgeizig und zielorientiert du übst, desto mehr spürst du deinen Körper, desto präsenter wirst du (auch auf der Bühne), desto mehr bist du also genau hier und jetzt und arbeitest genau an den Punkten, wo dein ganz spezielles Körper-Geist-System in einer bestimmten Übung Herausforderungen zu überwinden hat. Dann findest du eine für dich hier und heute stimmige Variation der Haltung oder Schrittfolge. Wenn du stattdessen deinen Körper in eine Haltung hineinzwingst, erzeugst du nicht nur Schmerz und den Ausdruck von Verspannung (was im Tanz selten das Ziel ist ;)), du erhöhst auch deine Verletzungsgefahr maßgeblich und VERLANGSAMST ODER VERHINDERST DEINEN FORTSCHRITT! Versuchst du beispielsweise in einer Arabesque oder in der Yogahaltung des kosmischen Tänzers das Bein nach hinten möglichst weit zu heben, obwohl deine Oberschenkelvorderseite, der Iliopsoas oder andere relevante Bereiche nicht entsprechend weit gedehnt sind, dann kannst du dieses "höher heben" nur über kompensatorische Zusatzbewegungen erreichen - indem du z.B. das Bein seitlich ausweichen lässt, das Becken verschiebst oder mit dem Oberkörper deutlich weiter nach vorn ausweichst. Das lässt dich nicht nur unnötig verspannen, sondern verhindert auch, dass du in der Dehnung den Bereich erreichst, der es nötig hätte. Mehr erreichst du daher mit Achtsamkeit, viel Zeit und Konzentration und ohne Ehrgeizgedanken. Durch entspanntes, ehrgeizfreies Üben mit liebevollem “Antippen” und der gerade-jetzt-in-diesem-Moment bestehenden Grenzen erhöht sich auch deine Flexibilität auf mühelose und verletzungsarme Weise - in einem ausgewogenen Verhältnis zur Kräftigung.

Körperbewusstsein

Im Jahrbuch 2013 der Zeitschrift Tanz wurden die Leiter von Tanzausbildungseinrichtungen ebenso wie künftige Arbeitgeber (Choreografen, Ballettmeister) nach ihrer Einschätzung von Bewerbern und Tanz(hoch)schulabsolventen befragt. Häufig erwähnt wurde „mangelndes Körperbewusstsein“ – was sich durch eine regelmäßige und optimalerweise in den Tänzeralltag integrierte Yogapraxis deutlich verbessern lassen dürfte.

Bewegungsspektrum erweitern

Rein klassisch trainierte Tänzer können Yoga nutzen, um ihr Bewegungsspektrum für die choreographisch oft geforderten zeitgenössischen und akrobatischen Elemente zu erweitern. Kraft und Koordinationsmuster für vielfältige Stütz- und Umkehrhaltungen lassen sich im Yoga systematisch erarbeiten. Durch die ruhige, konzentrierte Ausführung ist dabei die Verletzungsgefahr geringer - eine gute Vorbereitung auf die Anwendung in der Bewegung.

Tanzen - und dann?

Zuguterletzt wird durch eine intensive Beschäftigung mit Yoga und Körperbewusstseinsmethoden nicht nur die Beziehung zum eigenen Körper geschult und dadurch die tänzerische Leistungs- und Ausdrucksfähigkeit erhöht, sondern es ergibt sich u.U. auch ein ergänzendes Betätigungsfeld für die finanzielle Absicherung von Tänzern in der freien Szene oder für angestellte Tänzer nach Beendigung ihrer Tanzkarriere – die in unserem Beruf ja oftmals früher ansteht als in anderen Berufen.

 

 

Um eine regelmäßige Yogapraxis anzufangen, probier doch einfach mal eines meiner Videos für Tänzer aus und integriere es in deinen Tag!

 

Viel Freude dabei und teile den Artikel gern mit Tänzer- Freunden und -Kollegen.

Herzlich,

Marita

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